Freitag, 22. Mai 2015

Von Bosnien nach Pilsen


Kaffeekultur in der Bierstadt

Jetzt habe ich sie schon so oft erwähnt, dass ich endlich auch etwas mehr von ihnen erzählen muss: von „Goran“ und seinem turek.

Goran ist Goran Jozić, und sein turek ist der beste türkische Kaffee, den ich in den letzten Jahren getrunken habe. Goran Jozić ist ein heute 46-jähriger Bosnier, der 1992, in den tragischen Zeiten des Bosnienkriegs, mit seiner damals 16-jährigen Schwester in  die Tschechoslowakei gekommen ist. Geflüchtet. Die erste Etappe ist Chomutov, 1995 landet er in Pilsen. Die Stadt, eben aus den 50 Jahren der kommunistischen Ära hervorgegangen, ist alt und grau, am Wochenende menschenleer. Und noch etwas anderes betrübt Goran: dass es keinen guten Kaffee gibt. Eine halbe Tragödie für einen Bosnier, der an guten Kaffee gewöhnt ist: „Kaffeetrinken ist der bosnische Nationalsport“, kommentiert er. 

Die Passage zu Gorans Kaffeehaus

Da kommt ihm eine Idee, die sich mit den Jahren als erfolgreich erweisen sollte: Er eröffnet selbst ein Kaffeehaus, in einer Passage gleich am Hauptplatz Náměstí Republiky. In einem Haus aus dem 13. Jahrhundert, einem der ältesten hier am Platz, wo früher die Pferde für die Postkutschen gewechselt wurden. Und er beginnt Kaffee zu kochen. Italienischen Espresso und türkischen Kaffee: In eine dscheswe oder cezve, mit anderen Worten: in eines dieser innen verzinnten, langstieligen Kupferkännchen, wie sie aus keiner balkanischen, türkischen, arabischen Familie wegzudenken sind, kommen sechs bis neun Gramm Kaffeepulver, die rechte Menge für einen Deziliter Wasser. Erst wird nur die Hälfte des Wassers aufgegossen, zum Kochen gebracht und vom Feuer genommen, dann kommt die zweite Hälfte Wasser dazu. Und der Kaffee wird wieder zum Kochen gebracht. Zweimal, wenn das Wasser schon heiß war (aber niemals über 60 Grad, bitte!), dreimal, wenn das Wasser noch kalt war. Und dann heißt es sich etwas gedulden. Mindestens drei Minuten muss man warten, bis sich der Kaffee gesetzt hat. Dann darf man den Kaffee – langsam, andächtig – in eine kleine Tasse gießen, mit Würfelzucker süßen und trinken. Ich gestehe, dass ich den turek gleich nach dem Servieren trinke, weil mir der Kaffeesatz schmeckt, dieses bitter-süße Gemisch auf der Zunge. „Ja, Kaffeesatz macht schön, sagen wir in Bosnien“, fügt er galant hinzu.



Goran Jozić in seiner Kaffeerösterei

Aber Goran Jozić ist mehr als ein guter Kaffeezubereiter. Er unterrichtet auch an der Pilsner Hotelfachschule. Kaffeekultur. Die Geschichte des Kaffees, wie man Kaffee zubereitet – Espresso, türkischen Kaffee, Mokka, französischen Kaffee –, welche Gefäße man benutzen muss, wie man Kaffee trinkt. Eine geheimnisvolle Kunst für sich. Er wird lebendiger, während er erzählt, steht aber zwischendurch immer wieder auf: „Entschuldigung, ich muss aufpassen, dass der Kaffee nicht anbrennt.“ In einem kleinen Nebenraum des engen, gemütlichen Coffeehouses röstet er Kaffeebohnen selbst. Kaffeebohnen, die er aus aller Welt importiert und deren Geheimnisse er kennt. „Riechen Sie mal“, und er streckt mir die Hand entgegen, „das ist indischer Kaffee, eine besonders feine Sorte.“

 
In Gorans Café, im Vordergrund ein türkischer Kaffee

Inzwischen ist mein turek etwas ausgekühlt und ich kann ihn in aller Ruhe genießen. Die Gäste kommen und gehen, Geschäftsleute, Künstler, Intellektuelle. Freunde. „Kaffee trinkt man mit Freunden, mit jemandem, mit dem man ein Feeling hat. Diese zehn, fünfzehn Minuten Kaffeegenuss sollte man sich so oft wie möglich gönnen, mehrmals am Tag, oft im Leben“, philosophiert Goran. Und fügt hinzu: „Kaffee ist anregend, ist reiner als Bier.“ Er, der Kaffeeexperte, der in einer Bierstadt lebt, muss das ja schließlich wissen.



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