Nachdem die Stadtschreiberzeit von Wolftraud de Concini leider vorüber
ist, bloggen auf ihrer Seite bis Ende des Jahres Schülerinnen des
Geschichtslehrers Antonín Kolář über verschiedene Pilsener Themen. Das Projekt
wurde initiiert vom Tschechischen Zentrum Berlin und vom Deutschen Kulturforum
östliches Europa.
Im Jahr 1917
ereignete sich in der Munitionsfabrik in Pilsen eine tragische Explosion, die
als die Katastrophe von Bolevec in die Geschichte einging. Seit 1901 hatte sich
hier ein Schießplatz für Kanonen befunden, die man in den Škoda-Werken im
Zentrum Pilsens zusammenbaute. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde damit
begonnen hier Munition herzustellen. Die größte Munitionsfabrik in der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie lag innerhalb von Sekunden in Trümmern. Alle Gebäude bis auf eines
waren vollständig zerstört. Eine ganze Weile konnte man aber nicht mit den
Aufräumarbeiten sowie der Bergung der Verletzten und Toten beginnen. Es flogen immer
noch Teile der explodierenden Munition durch die Luft und
jegliche Unachtsamkeit hätte zu weiteren Detonationen führen können.
Von Helena Matějková, Masaryk-Gymnasium Pilsen
Von Helena Matějková, Masaryk-Gymnasium Pilsen
Die verheerenden Explosionsfolgen Foto: © Westböhmisches Museum in Pilsen |
Anfang des 20. Jahrhunderts verlegten die Škoda-Werke ihren Feuerübungsplatz von Doudlevec nach Bolevec und schon 1901 begann man hier mit den ersten Schießübungen. Das Objekt war das größte Munitions- und Versuchswerk im damaligen Österreich-Ungarn. Das 60 Hektar große Grundstück mit insgesamt 57 Gebäuden, darunter auch die Werkstätten und Lagerräume, war mit einem Stacheldraht eingezäunt und Maschinengewehrtürmen geschützt. In den Škoda-Werken arbeiteten etwa 3.000 Menschen, hauptsächlich Frauen, Mädchen und Jungen aus Pilsen und Umgebung.
Während des Ersten Weltkriegs bemühte sich die Fabrikverwaltung, an der Kriegsmaschinerie möglichst viel zu verdienen, und so wurde in sehr hohem Tempo gearbeitet, um die steigenden Anforderungen der Kriegsfront schnell erfüllen zu können. Neue Objekte wurden ohne amtliche Genehmigung gebaut, man teilte den zuständigen Behörden höchstens knapp die Existenz eines bereits errichteten Gebäudes mit. Aufgrund maximaler Sparmaßnahmen wurden grundlegende Sicherheits- und Hygienevorschriften nicht eingehalten. Die Werkstätten und Lagerräume waren überfüllt mit fertiger Munition und den für ihre Herstellung notwendigen Materialien. Auf dem Werksgleis häuften sich überfüllte Waggons, oft mit gefährlichem Material.
Das Massengrab der Katastrophenopfer auf dem
Friedhof von Bolevec. Jedes
Jahr wird in der sich daneben befindenden St. Adalbert-Kapelle mit einer Messe
der Explosion in der Munitionsfabrik gedacht. Foto: © František Kabát, sdruzeniboleveckychrodaku.cz |
Am 25. Mai 1917 kam es um 13.32 Uhr im Gebäude Nummer
10 zum ersten Ausbruch. Von dort breiteten sich die Explosionen nach und nach auf
immer weiteren Teilen des Areals aus. Zur verheerendsten Detonation kam es dann
um 15.08 Uhr, als ein riesiges Sprengstofflager in die Luft flog. Über der
Munitionsfabrik erschien eine rote, atompilzartige Säule aus stickigem Rauch. Die
Druckwelle war so stark, dass es bis ins Stadtzentrum zu Schäden kam, wo die
Erschütterungen Fensterscheiben zerstörten oder Fenster und Türen aus ihren
Rahmen rissen und sogar an manchen Orten Risse an den Gebäuden erschienen. Die
Munitionsfabrik wurde innerhalb eines Augenblicks zu einer großen Ruine, auch der
angrenzende Wald fing an zu brennen.
Etwa 700 Verletzte benötigten ärztliche Hilfe. In die Särge
wurden Leichen oder sterbliche Überreste gelegt, es gab angeblich über 200 Tote.
Manchmal befanden sich in einem Sarg Überreste mehrerer Menschen. Ihre
Angehörigen versuchten sie an den unbeschädigten Ringen und Armbändern zu
identifizieren. Manche Leichen waren aber so entstellt, dass man nicht einmal
ihr Geschlecht bestimmen konnte.
Zeitgenössische Korrespondenz über die Explosion in
der Munitionsfabrik Foto: © Maják Pilsen |
Die Explosion der Munitionsfabrik von Pilsen aus
gesehen Foto: © Maják Pilsen |
Die Munitionsfabrik in Bolevec nach der Explosion Foto: © Maják Pilsen |
Karel Čapeks Roman Krakatit |
Übersetzung aus dem
Tschechischen: Kristina Veitová und Tanja Krombach
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