Eine der
bedeutendsten künstlerischen Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Pilsener Madonna,
wurde seit jeher nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch für ihre
Heilkräfte verehrt und angebetet. Viele Pilsener waren bereit, ihren Einfluss
auf ihre eigene Gesundheit zu bezeugen. Die Madonna bestrafte aber
gleichermaßen auch die Sünder.
Wie Sie in Wolftraud
de Concinis letztem Blogbeitrag vor ihrer Sommerpause lesen konnten, bloggen
hier im August Schülerinnen von Antonín Kolář, Masaryk-Gymnasium Pilsen. Das
Projekt wurde initiiert vom Tschechischen Zentrum Berlin und vom Deutschen
Kulturforum östliches Europa. Heute: Tereza Mašková
Die Pilsener Madonna auf dem Altar in der
St.-Bartholomäus-Kathedrale. Foto: Radovan Kodera, aus: František Frýda/Jan Mergl, Pilsen/Plzeň. Ein kunstgeschichtlicher Rundgang durch diewestböhmische Metropole, Regensburg: Schnell & Steiner/Deutsches Kulturforum östliches Europa 2015 |
Die berühmte Statue der Jungfrau Maria befindet sich heute am
Altar der Pilsener St. Bartholomäus-Kathedrale. Die Figur aus Tonschiefer
ist 1, 34 Meter groß und in ein reich gefaltetes Kleid gehüllt. Die
ursprünglichen Farbtöne der Köpfe der Heiligen Mutter und des Christkindes
blieben bis heute, erhalten. Am meisten fesselt die Betrachter aber vermutlich das
Gesicht der Pilsener Madonna. Denn es sieht so aus, als wäre es
nach der Vorlage eines echten menschlichen Gesichts geschnitzt worden, was
damals bei ähnlichen Statuen eher ungewöhnlich war.
Mit der Entstehungsgeschichte der Madonna, die um das Jahr
1390 angefertigt wurde, sind viele Legenden verbunden. Eine von ihnen besagt,
die Statue sei von einem Blinden geschaffen worden, der keinerlei Erfahrung mit
der Bildhauerei gehabt hätte. Die Jungfrau Maria gab ihm angeblich das nötige
Werkzeug und führte seine Hand bei der Arbeit. Nachdem das Werk vollendet war,
schenkte sie ihm als Belohnung sein Augenlicht zurück.
Einer anderen Legende nach wurde die Madonna von einem Mönch
angefertigt. Er verliebte sich in ein wunderschönes junges Mädchen und
verewigte ihr Gesicht in der Statue. Da aber solch eine Zuneigung einem Mönch
untersagt war, blieb sie für lange Zeit versteckt. Bis die Ritter des Deutschen
Ordens sie für den Altar in der St. Bartholomäus-Kathedrale erbaten.
Zu den wahrscheinlich bekanntesten Geschichten der volkstümlichen
Überlieferungen und Sagen gehört die von den angeblichen Heilkräften des
Standbilds. Viele Bürger waren bereit zu bezeugen, gar zu schwören, dass die
Madonna sie oder ihre Kinder geheilt hatte. Sie befreite beispielsweise Jan
Arnošt Stozce von seinen unerträglichen Schmerzen in der Brust und Magdalena
Svobodová von ihrer starken Migräne. Andere, wie Tomáš Martinec oder Anna
Lechnerová erzählten, dass sie vor der Statue niederknieten und für ihr krankes
Kind beteten, das mehr tot als lebendig war und bei dem keine menschliche Hilfe
mehr etwas auszurichten vermochte. Sie schworen, dass, als sie nach ihrer
Rückkehr aus der Kirche auf das Schlimmste gefasst waren, ihr Kind wie aus dem
Nichts die Augen öffnete, anfing zu sprechen und bald seinen Appetit zurückerlangte.
Der Sohn von František Šmuvaria kam mit einem verdrehten Ärmchen zur Welt. Nachdem
der verzweifelte Vater die Madonna um Hilfe gebeten hatte, wurde die
deformierte Kindeshand wie durch ein Wunder begradigt.
Aber nicht nur die Kranken holten sich bei der Madonna ihren
Segen. Der Regimentskommandeur Karel Příchovský, der mit seiner Armee in Pilsen
verweilte, hörte von der Statue und brachte ihr eine besondere Ehrfrucht
entgegen. Vor der Schlacht bei Nördlingen holte er sich ihren Segen und
besiegte später den Fürst Bernard von Weimar. Zum Dank schenkte er der Statue
einen wunderschönen Gurt, den er von seinem Rivalen erbeutete. Ob das aber die
Statue zu schätzen wusste, bleibt ungewiss.
Die Pilsner Madonna wurde so berühmt, dass Menschen aus der
ganzen Umgebung kamen, um sie mit eigenen Augen zu sehen und ihr ihr Leid zu
klagen. Vielen von ihnen hat die Jungfrau Maria wirklich geholfen.
Wir haben aber nicht nur Berichte über ihre heilenden Taten,
sondern auch darüber, dass sie von Zeit zu Zeit Sünder bestrafte, die die
Statue beflecken wollten. Viele Diebe, die versuchten, sie zu stehlen, berichteten,
dass ihnen die Madonna erschienen sei und sie gewarnt habe, dass sie sterben würden,
wenn sie ihre Tat begingen. Die meisten von ihnen begannen dann auf ihr
Gewissen zu hören und entschieden schließlich, sich das Leben freiwillig zu
nehmen.
Einer anderen Sage zufolge zog sich ein sehr begabter
Lehrling jeden Abend in einen Keller zurück, um an einer Kopie der
Madonnenstatue zu arbeiten. Eines Tages tauchte im Keller sein Meister auf, und
als dieser sah, dass der Junge ihn mit seiner Arbeit überragte, wurde er zornig
und ermordete ihn. Danach gab er das Werk als sein eigenes aus. Tags darauf
verschwand die Statue aus dem Keller, der Meister starb bald darauf an einer
schweren Krankheit. Zur Strafe für sein Verbrechen spukt er angeblich bis heute
in dem Keller, in dem er den Mord an seinem Lehrjungen beging.
Man erzählte sich auch, dass am Ende der Sächsischen Straße
in Pilsen eine Statue der Jungfrau Maria mit einem gespaltenen Schädel stand.
Der Metzger, der in dem Haus wohnte, kam angeblich eines Tages aus der Kneipe
betrunken nach Hause. Da es ihm kalt war, schnappte er sich eine Axt und machte
sich daran, die Statue zu Kleinholz zu verarbeiten, um das Feuer zu füttern. In
dem Moment, in dem die Axt in das Holz hineinschlug, fing der Kopf der Jungfrau
Maria an zu bluten. Der Metzger erschrak und brach sein Sakrileg ab. Und obwohl
er immer stark und gesund gewesen war, erkrankte er bald darauf und starb.
Die Pilsener Madonna finden wir heute nicht nur in der
Kirche, sondern als Kopie auch auf der Pestsäule am Platz der Republik. Das
Kind in ihren Armen hält anstatt eines Apfels einen Totenschädel in der Hand, als
Symbol für schwere Zeiten während der Pestepidemien.
Übersetzung aus dem Tschechischen: Kristina Veitová