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Dienstag, 28. April 2015

Die drei goldenen Brunnen


Auf dem Wege zur modernen Stadt

Ich hätte sie gern in voller Aktion fotografiert. Aber den drei Brunnen auf dem Hauptplatz Náměstí Republiky in Pilsen fehlt bis heute noch ein (lebens-)wichtiges Element: das Wasser. Angst vor einem unerwarteten Kälteeinbruch, der – nach diesen letzten, fast sommerlichen Tagen – tatsächlich angesagt ist und das Wasser zum Gefrieren bringen könnte? Wer weiß. Ein Kamel mag ja als Wüstentier an Durststrecken gewohnt sein, eine (Wind-)Hündin aber hat auf die Dauer sicher Durst, von Engeln weiß ich das nicht. Denn die drei Brunnen, die beim geringsten Sonnenschein golden leuchten und glänzen, stellen – in sehr abstrakt-essenziellen Formen – eben ein Kamel, eine Windhündin und einen Engel dar.

Der „Engel“


Ehrlich gesagt war ich – und man mag mich da ruhig für eine Banausin halten – beim ersten Betreten des Náměstí Republiky mehr von diesen modernen Installationen angetan als von der altehrwürdigen gotischen Bartholomäuskirche. Sicher, die Pilsner Kathedrale zeichnet sich durch ihre attraktive Lage auf der Platzmitte aus, die „schöne Madonna“ im Inneren ist lieblich anzusehen, die Engelsköpfchen an der Außenseite (siehe einer meiner vorausgegangenen Blogs) versprechen Glück und Sorgenfreiheit, und der Glockenturm ist mit seinen 103 (nein: 102,26) Metern der Höchste im Lande (Böhmen). Aber die Schönste im Lande ist – die Pilsner mögen mir dieses Urteil verzeihen – die Kirche nicht. Was jedoch eben im nahen Rathaus getraute Paare nicht hindert, sich vor ihr zu den obligaten Hochzeitsfotos fotografieren zu lassen.

Drei Viertel Kilo Gold in allerfeinsten Folien sollen zur Verkleidung der drei bis heute noch durstigen Brunnen verwendet worden sein. Aber diese Kosten waren wohl nicht der Grund, warum die Stadtväter anfangs von dem Entwurf von Ondřej Císler, dem Preisträger des 2004 ausgeschriebenen Ideenwettbewerbs, nicht sonderlich begeistert waren. Erst im Jahr 2010, als eine internationale Jury die Stadt Pilsen zur europäischen Kulturhauptstadt 2015 erwählt hatte, wurde das Projekt eilends aus der Schublade des Konservativismus herausgeholt und realisiert: um der Welt zu zeigen, dass Pilsen – dem Motto „Open up“ gemäß – eine aufgeschlossene, ja zukunftsorientierte Stadt ist.

Der in Prag tätige Architekt Ondřej Císler ließ sich zu seinen drei sehr stilisierten Kreationen übrigens vom Pilsner Stadtwappen inspirieren, wo eben diese drei Figuren auftreten: Die Windhündin wird als Symbol der Treue zu König und Kirche interpretiert (revolutionäres Wesen legten die Einheimischen selten an den Tag), das Kamel erinnert an eine Episode aus einer missglückten hussitischen Belagerung der Stadt im 15. Jahrhundert (wieder diese Treue zur dominanten Kirche), den Engel als Wappenschildträger schenkte Papst Gregor XIII. der Stadt Pilsen im 16. Jahrhundert. Das Tridentinische Konzil der Gegenreformation war gerade vorüber und besonders die Jesuiten propagierten, als Verbreiter der katholisch gefestigten Glaubensideen, einen neuen, glühenden Engelskult.

So, das war jetzt auch ein kleines bisschen Stadtgeschichte.

 
Um die Beine der „Windhündin“ tollen und verstecken sich die Kinder gern.