Eine junge Roma-Schönheit |
Roma bleiben unter sich
Wenn sie auf der Bühne stehen, werden sie verherrlicht und mit Beifall
überschüttet: wegen ihrer schönen Stimmen, ihrer virtuosen Geigen- und
Gitarrenkunst, ihrer Musik, die aus der tiefsten Seele kommt und die Seelen anrührt.
So war es auch hier in Pilsen beim dreitägigen Roma-Festival „Khamoro“. Es
hatte bunt und laut begonnen, mit improvisierten Auftritten und Mal- und Schmuck-Workshops im
Park vor der Měšťanská beseda ...
... und es ging farbig und mit bester
Roma-Gipsy-Musik zu Ende, mit Auftritten von Angelo Debarre & Marius
Apostol aus Frankreich, der Mahala Rai Banda aus Rumänien, der Gruppe Ilo aus
Russland und der tschechischen Band Kale, die die zur „Queen of Romany“ gekürte
tschechische Folk-Pop-Sängerin Věra Bílá begleitete. Die Roma und ihre
Vertreter wurden fotografiert, gefilmt und interviewt.
Die russische Roma-Gruppe Ilo bei der Generalprobe am Pilsner Hauptplatz |
Roma stellen sich zu Interviews |
Für einige Stunden gehörte das Stadtzentrum den kinderreichen,
dunkelhäutigen Roma-Familien. Und die Anerkennung und Bewunderung für die
Roma-Künstler auf der Bühne galt ihnen allen. Den Roma, dem stolzen,
rätselhaften und doch so normalen Volk der Roma.
Inzwischen sind sie – ich meine das begeisterte Roma-Publikum – als cikáni wieder nach Hause zurückgekehrt,
in ihre bescheidenen Sozialwohnungen, da sie sich – ohne Arbeit – keine schöne
Mietwohnung leisten können. Und vielleicht ist es ihnen auch lieber so. Da sind
sie wenigstens unter sich, und niemand beklagt sich, wenn die Musik vielleicht
etwas zu laut ist und an Feiertagen gegrillt wird.
Als hätte sie schon tausend Jahre Leiden erlebt |
Auch heute, am „Evropský den sousedů“, waren sie unter sich. Der Husovo náměstí gleich neben den Škoda-Werken war einer der Plätze, an denen der Europäische Nachbarschaftstag begangen wurde. Der Hus-Platz liegt in einem Pilsner Roma-Viertel – um nicht zu sagen: Roma-Ghetto. Sicher, sie sind nicht eingeschlossen wie in einem Ghetto, können kommen und gehen, wie sie wollen. Aber sie sind ausgeschlossen aus der „normalen“ Pilsner Gesellschaft, aus dem „normalen“ Leben.
Ich war, von ein paar Organisatoren abgesehen, eine der wenigen „Weißen“,
die zu diesem Fest der nachbarlichen Verständigung auf den Platz mitten im
Roma-Viertel gekommen waren. Die Roma-Mütter und Großmütter waren stolz auf die
ersten Tanzdarbietungen ihrer Töchter und Enkeltöchter, die Roma-Väter und
Großväter verfolgten kritisch die ersten Boxkampf-Versuche ihrer Kinder und
Enkel. Frauen saßen mit Frauen auf den im Kreis aufgestellten Stühlen, Männer
standen mit Männern in Gruppen im Park. Und alle vergnügten sich.
Der Sport als Möglichkeit sozialen Aufstiegs |
Der einzige Störenfried war vielleicht ich. Aber als sie merkten, dass ich
Romanes verstand, hörten sie auf, mich misstrauisch anzuschauen. Doch so recht
ins Gespräch kamen wir nicht. Nein, Arbeit gebe es keine für einen Roma, viele
Personen lebten in kleinen Wohnungen zusammen: Mehr war aus dem jungen Mann
nicht herauszubringen.
Drei Roma-Generationen |
Ich zitiere aus einer kürzlichen Umfrage in Tschechien: Die Anzahl der Personen,
die es für richtig und möglich halten, dass alle Minderheiten gemäß ihrer
überlieferten Kultur und Tradition leben sollten, ist in einem Jahr von 46 auf
31 Prozent gesunken. Mehr als zwei Drittel der tschechischen Bevölkerung
möchten demnach auch den Roma das Leben als Roma – als Volk mit eigener
Geschichte, eigener Kultur und eigenem Brauchtum – verbieten.
Und die anderen gut 30 Prozent? Wollten sie sich mit ihrer Antwort nur
tolerant zeigen oder würden sie die Roma auch tatsächlich als gute Nachbarn
akzeptieren?