Mittwoch, 26. August 2015

Die Pilsener Madonna heilte Kranke und bekehrte Sünder


Eine der bedeutendsten künstlerischen Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Pilsener Madonna, wurde seit jeher nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch für ihre Heilkräfte verehrt und angebetet. Viele Pilsener waren bereit, ihren Einfluss auf ihre eigene Gesundheit zu bezeugen. Die Madonna bestrafte aber gleichermaßen auch die Sünder.

Wie Sie in Wolftraud de Concinis letztem Blogbeitrag vor ihrer Sommerpause lesen konnten, bloggen hier im August Schülerinnen von Antonín Kolář, Masaryk-Gymnasium Pilsen. Das Projekt wurde initiiert vom Tschechischen Zentrum Berlin und vom Deutschen Kulturforum östliches Europa. Heute: Tereza Mašková
Die Pilsener Madonna auf dem Altar in der St.-Bartholomäus-Kathedrale.
Foto: Radovan Kodera, aus: František Frýda/Jan Mergl, Pilsen/Plzeň. Ein kunstgeschichtlicher Rundgang durch diewestböhmische Metropole, Regensburg: Schnell & Steiner/Deutsches Kulturforum östliches Europa 2015

Die berühmte Statue der Jungfrau Maria befindet sich heute am Altar der Pilsener St. Bartholomäus-Kathedrale. Die Figur aus Tonschiefer ist 1, 34 Meter groß und in ein reich gefaltetes Kleid gehüllt. Die ursprünglichen Farbtöne der Köpfe der Heiligen Mutter und des Christkindes blieben bis heute, erhalten. Am meisten fesselt die Betrachter aber vermutlich das Gesicht der Pilsener Madonna. Denn es sieht so aus, als wäre es nach der Vorlage eines echten menschlichen Gesichts geschnitzt worden, was damals bei ähnlichen Statuen eher ungewöhnlich war.

Mit der Entstehungsgeschichte der Madonna, die um das Jahr 1390 angefertigt wurde, sind viele Legenden verbunden. Eine von ihnen besagt, die Statue sei von einem Blinden geschaffen worden, der keinerlei Erfahrung mit der Bildhauerei gehabt hätte. Die Jungfrau Maria gab ihm angeblich das nötige Werkzeug und führte seine Hand bei der Arbeit. Nachdem das Werk vollendet war, schenkte sie ihm als Belohnung sein Augenlicht zurück.

Einer anderen Legende nach wurde die Madonna von einem Mönch angefertigt. Er verliebte sich in ein wunderschönes junges Mädchen und verewigte ihr Gesicht in der Statue. Da aber solch eine Zuneigung einem Mönch untersagt war, blieb sie für lange Zeit versteckt. Bis die Ritter des Deutschen Ordens sie für den Altar in der St. Bartholomäus-Kathedrale erbaten.

Zu den wahrscheinlich bekanntesten Geschichten der volkstümlichen Überlieferungen und Sagen gehört die von den angeblichen Heilkräften des Standbilds. Viele Bürger waren bereit zu bezeugen, gar zu schwören, dass die Madonna sie oder ihre Kinder geheilt hatte. Sie befreite beispielsweise Jan Arnošt Stozce von seinen unerträglichen Schmerzen in der Brust und Magdalena Svobodová von ihrer starken Migräne. Andere, wie Tomáš Martinec oder Anna Lechnerová erzählten, dass sie vor der Statue niederknieten und für ihr krankes Kind beteten, das mehr tot als lebendig war und bei dem keine menschliche Hilfe mehr etwas auszurichten vermochte. Sie schworen, dass, als sie nach ihrer Rückkehr aus der Kirche auf das Schlimmste gefasst waren, ihr Kind wie aus dem Nichts die Augen öffnete, anfing zu sprechen und bald seinen Appetit zurückerlangte. Der Sohn von František Šmuvaria kam mit einem verdrehten Ärmchen zur Welt. Nachdem der verzweifelte Vater die Madonna um Hilfe gebeten hatte, wurde die deformierte Kindeshand wie durch ein Wunder begradigt.

Aber nicht nur die Kranken holten sich bei der Madonna ihren Segen. Der Regimentskommandeur Karel Příchovský, der mit seiner Armee in Pilsen verweilte, hörte von der Statue und brachte ihr eine besondere Ehrfrucht entgegen. Vor der Schlacht bei Nördlingen holte er sich ihren Segen und besiegte später den Fürst Bernard von Weimar. Zum Dank schenkte er der Statue einen wunderschönen Gurt, den er von seinem Rivalen erbeutete. Ob das aber die Statue zu schätzen wusste, bleibt ungewiss.

Die Pilsner Madonna wurde so berühmt, dass Menschen aus der ganzen Umgebung kamen, um sie mit eigenen Augen zu sehen und ihr ihr Leid zu klagen. Vielen von ihnen hat die Jungfrau Maria wirklich geholfen.

Wir haben aber nicht nur Berichte über ihre heilenden Taten, sondern auch darüber, dass sie von Zeit zu Zeit Sünder bestrafte, die die Statue beflecken wollten. Viele Diebe, die versuchten, sie zu stehlen, berichteten, dass ihnen die Madonna erschienen sei und sie gewarnt habe, dass sie sterben würden, wenn sie ihre Tat begingen. Die meisten von ihnen begannen dann auf ihr Gewissen zu hören und entschieden schließlich, sich das Leben freiwillig zu nehmen.

Einer anderen Sage zufolge zog sich ein sehr begabter Lehrling jeden Abend in einen Keller zurück, um an einer Kopie der Madonnenstatue zu arbeiten. Eines Tages tauchte im Keller sein Meister auf, und als dieser sah, dass der Junge ihn mit seiner Arbeit überragte, wurde er zornig und ermordete ihn. Danach gab er das Werk als sein eigenes aus. Tags darauf verschwand die Statue aus dem Keller, der Meister starb bald darauf an einer schweren Krankheit. Zur Strafe für sein Verbrechen spukt er angeblich bis heute in dem Keller, in dem er den Mord an seinem Lehrjungen beging.

Man erzählte sich auch, dass am Ende der Sächsischen Straße in Pilsen eine Statue der Jungfrau Maria mit einem gespaltenen Schädel stand. Der Metzger, der in dem Haus wohnte, kam angeblich eines Tages aus der Kneipe betrunken nach Hause. Da es ihm kalt war, schnappte er sich eine Axt und machte sich daran, die Statue zu Kleinholz zu verarbeiten, um das Feuer zu füttern. In dem Moment, in dem die Axt in das Holz hineinschlug, fing der Kopf der Jungfrau Maria an zu bluten. Der Metzger erschrak und brach sein Sakrileg ab. Und obwohl er immer stark und gesund gewesen war, erkrankte er bald darauf und starb.

Die Pilsener Madonna finden wir heute nicht nur in der Kirche, sondern als Kopie auch auf der Pestsäule am Platz der Republik. Das Kind in ihren Armen hält anstatt eines Apfels einen Totenschädel in der Hand, als Symbol für schwere Zeiten während der Pestepidemien.


Übersetzung aus dem Tschechischen: Kristina Veitová

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