Montag, 7. September 2015

Zurück!


Von Suppen und anderen Genüssen

So bin ich, nach einem gut einmonatigen italienischen Heimaturlaub, wieder im Lande. In meiner alten, neuen Heimat Böhmen. Wo sich nichts geändert hat. Pilsen liegt wie eh und je an fünf Flüssen, bei meiner Anfahrt wurde ich, wie immer, vom hohen, spitzen Glockenturm der Bartholomäuskathedrale begrüßt, und die Einheimischen sind, wie eh und je, freundlich-reserviert.

Pilsen mit (rechts) dem Glockenturm der Bartholomäuskirche

Ich bin, trotz aller guten Vorsätze, immer noch keine rechte Biertrinkerin geworden, bin aber eine Suppenschlemmerin. So konnte ich mir das „Festival polévky“ nicht entgehen lassen, das „Suppenfestival“, mit dem das dreimonatige Straßenfestival „Živá ulice“ (Lebendige Straße) zu Ende ging. Da wurden Gemüse und Kartoffeln zerkleinert, Schinken und Kutteln in Stücke geschnitten, es wurde gehackt und geschnitzelt, roch nach Zwiebeln, Knoblauch und gebratenen Würsten (mein Hund Zampa wusste nicht mehr, wo er hinriechen sollte), und in den  – so wird erzählt – eigens aus Ungarn herangeschafften Vierzig-Liter-Kesseln brodelten bald Suppen in allen Farben und Geschmacksvarianten. Zwölf Restaurants, Bistros und Vereine präsentierten tschechische und slowakische Suppen, aber auch italienischen Minestrone, französische Zwiebelsuppe, marokkanische Harira und Spezialitäten aus Indien und Südamerika. 

Alles bereit zum Suppenfestival „Festival polévky“

Auch Jiří Sulženko, Programmdirektor von Pilsen2015, ist als Hobbykoch mit von der Partie.
 
Suppen in allen Farben ...

Die internationale Suppengourmetwelt hatte sich am Pilsener Hauptplatz ein Stelldichein gegeben, und bei dieser Gelegenheit lernte ich gleich zwei Leidenschaften der Pilsener (der Tschechen?) kennen: das Suppenessen und das Schlangestehen. Die erste Passion teile ich mit ihnen, die zweite nicht, und ich habe, ehrlich gesagt, große Geduld aufbringen müssen, um fast eine halbe Stunde in der Schlange auf meine Suppe zu warten. Was sich aber lohnte. Die mit großzügigen Wurststücken und Rahm angereicherte Sauerkrautsuppe „Andělská zelňačka“ war wirklich köstlich und bekam auch meine Stimme: Schließlich wurde sie von der Organisation Pilsen2015 präsentiert, der ich als Stadtschreiberin verpflichtet bin.

Schlangestehen für eine Suppe

Der Pilsener Hauptplatz Náměstí Republiky sprach heute Tschechisch, die Stadt aber Deutsch in den unterschiedlichsten Dialektvarianten. Deutsch waren die überall geparkten Touristenbusse, auf Deutsch wurde in Cafés und Restaurants bestellt, auf Deutsch die Stadtführungen gehalten. Es stimmt also, was ich schon in Zeitungen und Online-Nachrichten gelesen habe: dass die westböhmische Hauptstadt viel, ja sehr viel mehr Touristen aus deutschsprachigen Ländern anzieht als in den Vorjahren. Die eifrig und offensichtlich geschickt gerührte Werbetrommel der Europäischen Kulturhauptstadt hat wohl den gewünschten Erfolg erbracht. So bleibt nur zu hoffen, dass es der westböhmischen Metropole gelingt, auch das Image der Nur-Bier-und-Industrie-Stadt abzuschütteln. Was aber nicht leicht sein dürfte, solange Einheimische und in der Stadt Ansässige „Bier“ und „Ṧkoda“ als Symbolbegriffe für Pilsen anführen.

Diese allerdings nicht überraschende Entdeckung habe nicht ich gemacht, sondern sie ist (auch) das Fazit der Ausstellung „Tvář Plzně“, „Das Antlitz von Pilsen“. Acht einheimische Künstler zeigen im DEPO2015 sehr realistische Porträts von normalen Pilsenern und Wahl-Pilsenern, um – wie es im Ausstellungskatalog heißt – „Pilsen in seiner alltäglichen Vielfalt“ zu präsentieren. 

Jan Uldrych, Pavel Süssenbek

Jiří Bouma, Miriam Jandáková

Václav Sika, Václav Lindaur. Der Abgebildete entstammt der weit verzweigten, aus dem Pilsener Raum kommenden Familie Lindauer, der auch der Maler Gottfried Lindauer (1839–1926) angehörte. Seine im späten 19. Jahrhundert entstandenen, sehr detailgetreuen Porträts von neuseeländischen Maori-Häuptlingen sind noch bis zum 20. September in der Westböhmischen Galerie in Pilsen zu sehen.

Die dargestellten Personen stimmen bei aller Unterschiedlichkeit in Herkunft und Lebensweise aber eben doch darin überein, dass sie in der Mehrheit „Bier“ als Synonym für Pilsen anführen. Und „Škoda“. Was auf Deutsch „schade“ bedeutet und ich auch für sehr schade halte. Denn Pilsen ist doch – was ich schon mehrmals unterstrichen habe – mehr und reicher als sein Ruf.

P.S.: Ich hätte niemals gedacht, dass „meine“ Kulturhauptstadt mir und meinem Hund Zampa so schnell ein Denkmal setzen würde. Mit einer Bronzeskulptur der tschechisch-kanadischen Künstlerin Lea Vivot, deren realistische Arbeiten auf Pilsener Plätzen und Promenaden zum Interagieren und Fotografieren einladen.

Lea Vivot, Butterfly (links)
Detail einer anderen Lea-Vivot-Skulptur



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