Von Asylanten und Obdachlosen
Eine neue Lizzie Maggie? Wer das war? Elizabeth (wie sie
in Wirklichkeit hieß) Maggie, eine Schauspielerin und Schriftstellerin aus dem
US-Bundesstaat Maryland, hat im Jahr 1903 das Monopoly-Spiel erfunden – oder
richtiger gesagt: eine Vorform dieses über die ganze Welt verbreiteten Spiels,
das dann 1935 von einem arbeitslosen Heizungstechniker patentiert wurde.
Was das wieder mit Pilsen zu tun hat? Als Artist in
Residence lebt hier zur Zeit Janna, eine 25 Jahre junge deutsche Grafikerin.
Janna Ulrich hat als Master-Arbeit in Amsterdam das Gesellschaftsspiel „Niemandsland”
erfunden. Figuren dieses Spiels sind Asylanten, Sicherheitskräfte und „normale”
Bürger, Ausgangspunkt ist – da sie ja illegale Einwanderer sind – das
Gefängnis, Ziel die Abreise mit dem Flugzeug. Was nicht alle Asylanten
schaffen.
Die deutsche Grafikerin Janna Ullrich, zur Zeit als Artist in Residence in Pilsen |
Bei ihrem Artist-in-Residence-Aufenthalt in der
westböhmischen Hauptstadt hat Janna begonnen, neue Spielregeln für das
Monopoly-Spiel zu erarbeiten. Regeln, die es den Spielern nicht erlauben,
Besitz, also „Monopole“, anzusammeln – wie es beim heutigen Monopoly-Spiel der
Fall ist. Im Gegenteil. Sie kommen von Besitz auf Nichtbesitz, aber der Zugang
zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Lebens – Recht auf Arbeit, auf
Wohnung, auf Gesundheitsfürsorge und so weiter – wird ihnen gesichert.
Janna erzählt voll Enthusiasmus, wie sie – von einem
holländischen Flüchtlingskollektiv inspiriert – dazu kam, sich mit diesen
Themen auseinandersetzen: gegen die Asylindustrie, in der Unmengen Geld gemacht
werden. Und inzwischen bastelt sie, in gewollter Isolierung in zwei Räumen in
der Pilsener Kreativwerkstatt DEPO2015, an einem neuen Monopoly. Zu einer
gerechteren Welt, in der nicht oft unsauber angehäufter Reichtum und
Geldmacherei zählen, sondern einzig die Menschenrechte. Für alle.
Ich hatte noch Janna mit ihren revolutionären
Monopoly-Spielregeln und ihrem sozialen Engagement im Kopf, als – nach der
Präsentation einer von der Organisation Pilsen2015 herausgegebenen Publikation
meiner Texte und Fotos – Karina Kubišová auf mich zukam, die Kuratorin des Projekts
„Zen – Die Stadt als Ausstellungsraum“. In einem Post hatte ich Ende Mai davon
berichtet. „Budelíp“, „Es wird besser“, war der Titel einer von Professoren und
Studenten der Ladislav-Sutnar-Fakultät für Architektur und Design organisierten
Ausstellung, die den Obdachlosen gewidmet war.
Die als Provokation gedachten Container-Asylheime |
Ich hatte die zu Mini-Unterkünften
umgemodelten Müllcontainer für eine reine Herausforderung gehalten, Anstoß zum
Nachdenken über das Leben am Rande. Aber Karina erzählte es mir anders: Gleich
nach der Eröffnung waren tatsächlich Obdachlose in die Mini-Häuschen eingezogen. Sie
richteten sich in den winzigen Räumen ein, hatten aber wenigstens ein Dach über dem
Kopf, brachten auch Namensschilder an den einzelnen Mini-Häusern an. Aber –
solche Geschichten haben immer ein Aber – wenige Wochen später waren die
Container von der Stadtverwaltung abtransportiert worden: Die Umwohner hätten
protestiert, es bestünde Feuergefahr und so weiter. Und die Obdachlosen zogen
ab, ohne Widerstand. „Ihr nehmt uns unser Zuhause“, war ihr einziger Einspruch.
Was als provokatorische Kunstausstellung gedacht war, die mehrere Monate hätte bleiben sollen, ist
vor der Zeit abgebaut worden.
Karina Kubišová war sehr traurig, als sie mir diese Geschichte
erzählte.
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