Budelíp – Es wird besser
Auf einer Bank in den Grünanlagen auf der Náměstí Emila Škody, dem Emil-Škoda-Platz
in Pilsen, saßen während der Vernissage zwei Obdachlose. Ob sie sich von den
schön blau gestrichenen und mit einem kleinen Rundfenster versehenen
Mini-(Müll-)Containern auf den Arm genommen fühlten oder die ironisch-bittere
Kritik der Designstudenten am tschechischen Sozialsystem verstanden? Ich bin
nicht sicher, ob sie das Drumherum überhaupt interessierte. Ihnen war wohl
wichtiger, dass sie beim Apéro etwas zu trinken mitbekommen hatten und niemand
sie wegschickte oder diskriminierte. Das Publikum war intelligent und tolerant
genug, um sie ihre Ausgrenzung nicht spüren zu lassen.
Die Ausstellung mit dem vielsagenden Titel Budelíp („Es wird besser werden“) ist
Teil eines vom tschechischen Architekten Rostislav Koryčánek ersonnenen Projekts,
in dessen Verlauf öffentliche Plätze und Orte mit Kunstwerken qualitativ und
menschengerecht umgestaltet werden sollen. Hier auf dem Emil-Škoda-Platz, der
seit der Krise der traditionsreichen Pilsner Škoda-Werke seine Funktion als
täglicher An- und Abfahrtsplatz von Tausenden von Arbeitern verloren hat, fand die dritte der insgesamt sieben Veranstaltungen statt. Jiří Beránek, Benedikt Tolar und Studenten
der Ladislav-Sutnar-Fakulät für Kunst und Design an der Westböhmischen Universität
griffen das Thema der Obdachlosen auf – ein Problem, das in Tschechien
staatlicherseits noch auf eine Lösung wartet.
Unbefangenes Kinderspiel in einem Mini-„Asylheim“ |
Es gibt keine (oder zu wenige) Asylheime für Obdachlose? Wir bauen sie
ihnen, sagten sich die Studenten. Mit den skurril-befremdenden, in Wirklichkeit
bitterbösen Mini-Wohncontainern, in denen bei der Ausstellungseröffnung einige
Kinder unschuldig-unbefangen spielten, wollten sie zum Nachdenken anregen: über
die soziale Ausgrenzung (nicht nur) der Obdachlosen und (ich zitiere aus dem
Ausstellungsfolder) „die undichte Schwelle zwischen der Sicherheit des eigenen
Wohnens und der Unsicherheit des Lebens auf der Straße“.
Keramikglockenspiel, im Hintergrund die Škoda-Werke |
Die Unterführung vom Platz zu den Škoda-Werken |
Malerei und Graffiti in der Unterführung |
Zur Ausstellung „Es wird besser werden“ gehören auch eine aparte
Keramikglockenkomposition, an die Wände der einst viel begangenen, heute
heruntergekommenen und verschmutzten Fußgängerunterführung gemalte unförmige,
nackte Frauenkörper und in säuberlichen Reihen angepflanzte Kartoffeln, die
pünktlich zur Vernissage hätten blühen sollen. Was nicht geschehen war.
Vielleicht sind die Tschechen, nach Jahrzehnten sozialistischer
Kollektivwirtschaft, mit ihrem Agrarwissen etwas zurückgeblieben?
Mir hat die Ausstellung gut gefallen. Das Kunstprojekt wird in einem Monat
fortgesetzt. Ich warte besonders gespannt darauf, denn es findet unter der
Millennium-Brücke an der Radbuza statt. Meinem Pilsner Lieblingsfluss.
Weil ich schon dabei bin, hier noch ein paar Fotos von den farblich attraktiven Seitenmauern der Škoda-Werke:
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