Doch wieder „Cesta ven“. Der vom tschechischen Regisseur Petr Václav
gedrehte Spielfilm hat – nach Erfolgen 2014 in Cannes und dem im Februar 2015 in Prag verliehenen „Goldenen Löwen“ – auch beim eben zu Ende gegangenen 28. Filmfestival in
Pilsen triumphiert. Der als „Sozialdrama“ etikettierte Film ist mit dem
„Goldenen Eisvogel“ ausgezeichnet worden, dem Hauptpreis „Zlatý ledňáček“. Er
erzählt die Geschichte einer Roma-Familie (richtiger: einer jungen Roma-Frau),
die aus ihrem traditionellen Milieu ausbrechen möchte – daher „Cesta ven“, „Der
Weg hinaus“ –, aber bei ihren Versuchen immer wieder auf Vorurteile und
Ausgrenzung stößt. Keine Roma-Folklore, sondern ein realistisch aufgebauter und
solide gedrehter Film, ein unromantischer Blick auf das (gestern, heute,
morgen) unromantische, wohl selten „lustige Zigeunerleben“. Mit einer
großartigen Hauptdarstellerin. Klaudia Dudová war Verkäuferin in einem
Lebensmittelgeschäft in Ústí nad Labem/Aussig, als Petr Václav sie entdeckte
und ihr den Weg zu einer vielversprechenden Karriere auftat.
Das Filmplakat der französischen Version |
Ob bei dem Juryentscheid auch die Tatsache mitgespielt hat, dass die Roma-Problematik zur Zeit in Tschechien (aber nicht nur hier) ein heißes, von Rechtsextremisten aufgeheiztes Thema ist? Ich hätte es den slowakischen Regisseur und Juryvorsitzenden Robert Kirchhoff fragen sollen, als wir uns in der immer übervollen, immer überlauten Gastwirtschaft Na Parkánu in Pilsen bei Vepřové koleno na plzeňském pivě (Schweinshaxe mit Senf, Meerrettich und Kraut) und süffigem, ungetrübtem Bier gegenübersaßen. Oder vielleicht hatte es an anderen Spielfilmen gefehlt, die „Cesta ven“ hätten Konkurrenz machen können?
Auch die tschechisch-deutsche, in Berlin ansässige Filmproduzentin Jana
Cisar ist zu den Filmfestspielen nach Pilsen gekommen. „Der tschechische Film?
Ich sehe da sehr, sehr gute tschechische wie slowakische Dokumentarfilme, aber
bei den Spielfilmen scheinen die Regisseure allzu oft an den puren Publikums-
und Kassenerfolg zu denken“, kommentiert sie.
Die Filmproduzentin Jana Cisar |
Der Regisseur Peter Zach |
Nicht nur wegen des Filmfestivals ist sie in Pilsen. Gemeinsam mit dem
österreichischen Regisseur Peter Zach bereitet sie die Dreharbeiten zu einem
Dokumentarfilm über Adolf Loos in Pilsen vor: über die einzigartigen, in
jüngster Zeit rechtzeitig zur Kulturhauptstadternennung wiederhergestellten
Interieurs, die der österreichisch-böhmische Architekt in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts für das wohlhabende jüdische Bürgertum in
Pilsen entworfen hat. Im Dezember soll der Film eben hier in Pilsen Premiere
haben.
Und noch einmal zu „Cesta ven“: Wird der Film etwas in der Einstellung der
„Weißen“ den Roma gegenüber ändern? Ich würde es dem elfjährigen Roma-Mädchen
wünschen, das vor der orthodoxen Kirche in Rokycany (der Priester ist ein Roma)
mit ihrem kleinen Bruder spielt, sich mit mir auf Englisch unterhält und bereitwillig in die Kamera lächelt.
Das elfjährige Roma-Mädchen in Rokycany |
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