Havel’s Place in Pilsen
Sie sind so recht einladend, die zwei hölzernen Lehnstühle mit den verschnörkelten, eisernen Armlehnen im Park an der Šafaříkovy sady in Pilsen. Und dazu der ebenfalls hölzerne runde Tisch, auf dem man auch schon mal ein Bier abstellen kann. Sicher hätte Václav Havel nichts dagegen gehabt. Václav Havel, der von allen Tschechen heiß verehrte Schriftsteller und Staatspräsident? Was hat er mit diesen Gartenmöbeln hier am Rand der Pilsner Altstadt zu tun? In diesem gepflegten Park, der eine stadtbekannte Drogenszene ist?
„Havel’s Place“ in Pilsen |
In Wirklichkeit handelt es sich um eine vom tschechischen Architekten Bořek Sípek ersonnene
Installation zu Ehren von Havel: um Lavička Václava Havla, wie es die Tschechen
nennen, um „Václav Havels Platz“. Der erste „Havel’s Place“ war im Oktober 2013 in
Washington arrangiert worden, und dem amerikanischen Vorbild folgten mehrere
europäische Städte: Dublin im Dezember 2013, Barcelona im Februar 2014, Prag im
Mai 2014, České
Budějovice im Juni 2014, Venedig (ja, auch Venedig, auf der Insel San Servolo, die
früher als Sitz einer Nervenheilanstalt berüchtigt war) im September 2014,
Hradec Králové am 4. Oktober 2014 und Pilsen am 30. Oktober 2014. Und es wird sicher nicht der letzte sein, da bin ich sicher.
Fast immer liegen frische Blumen auf dem in den Boden neben der Tischrunde
eingelassenen Gedenkstein, der an den 1936 in Prag geborenen und 2011 in Hrádeček bei Trutnov
(meiner Geburtsstadt Trautenau) verstorbenen Václav Havel erinnert. Und zwei
Einheimische, die sich – um sich auszuruhen? um zu meditieren? um Havels zu
gedenken? – auf den Stühlen niedergelassen haben, helfen mir bei der Abschrift von
Wörtern, die in den eisernen Tischrand eingeritzt sind und die sie auswendig können: Pravda
a láska musí zvítězit nad lží a nenávistí: „Wahrheit und Liebe müssen Lüge und Hass
besiegen.“
Rechts die Außenmauer des Gefängnisses Pilsen-Bory, links erholsame Schrebergärten |
Es sind allen Tschechen
bekannte Worte aus Havels „revolutionären“ Jahren, aus seiner Zeit der Regimekritik,
die ihm mehrere Jahre Haft einbrachte. Auch in Pilsen, im berüchtigten
Gefängnis Bory, wo er seine bekannten „Briefe an Olga“ (seine Frau Olga Šplíchalová) verfasste und Freundschaft zum ebenfalls inhaftierten, heutigen Prager Erzbischof Dominik Duka schloss. Unter kommunistischer Herrschaft war Bory – ein Name, der bis heute noch schwer wie ein Stein wiegt – eine gefürchtete Stätte
zur Umerziehung und Einschüchterung Andersdenkender. In den ersten
Nachkriegsjahren waren in diesem 1874 erbauten Gebäudekoloss mit der
architektonisch interessanten sternförmigen Anlage auch sudetendeutsche
Häftlinge malträtiert und getötet worden. Heute haben sich einige Pilsner
Familien direkt an der mit Stacheldraht gesicherten Außenwand des Kerkers
Schrebergärten angelegt. Mit hübschen Holzhäuschen, bunten Blumenbeeten und Barbecues für vergnügliche Grillpartien.
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