Donnerstag, 25. Juni 2015

600 Jahre nach Nepomuk



 
Die fünf Nepomuk-Sterne an der Nepomukkirche im Städtchen Nepomuk


Begegnung mit dem Bischof von Pilsen

Er fängt sofort zu erzählen an. Von Nepomuk, dem auf der ganzen Welt bekannten und verehrten Brückenheiligen, von dessen Konflikt als Generalvikar des Prager Erzbischofs mit dem damaligen König Wenzel IV. („Er war dem Alkohol sehr zugetan“, bemerkt er leicht ironisch), wie er von Getreuen des Königs, vielleicht sogar unter Mitwirkung des Königs selbst, gefoltert, übelst misshandelt und so zusammengeschlagen wurde, dass man ihn, um Quälereien und Torturen verborgen zu halten, halbtot oder schon tot in die Moldau stürzte. Wo fünf Lichter zu leuchten begannen. Die fünf Sterne, die der heilige Nepomuk auf fast allen Statuen um sein Haupt trägt.



Statue des hl. Nepomuk im Museum für Kirchenkunst in Pilsen. Das Kind zu seinen Füßen mit dem vor den Mund gelegten Zeigefinger ist eine Anspielung auf das Beichtgeheimnis, das Johannes von Nepomuk trotz königlicher Drohungen nicht brechen wollte.





Die fünf Sterne, die im Wappen der Diözese Pilsen zu finden sind und auch im Wappen des Pilsner Bischofs.



Das Wappen der Diözese Pilsen




Denn „er“, der mir die Nepomuk-Geschichte erzählt und bildhaft ausmalt, ist Seine Exzellenz František Radkovský. Im Jahr 1993 wurde er zum ersten Bischof in der Geschichte Pilsens ernannt. Genau 600 Jahre nach dem Tode Nepomuks.



František Radkovský, seit 1993 erster Bischof von Pilsen


Schon 1393 hätte eine westböhmische Diözese gebildet werden sollen, mit Sitz im damals sehr mächtigen Benediktinerkloster Kladruby/Kladrau. König Wenzel hätte es so gewollt, die Patres und Johannes von Nepomuk dachten es anders. Dies war wohl einer der Gründe der tätlichen Zwistigkeiten, die dann zum Tode Nepomuks führten. War es Prädestination, dass die heutige westböhmische Diözese in Pilsen nach genau 600 Jahren entstanden ist? Mehrere Historiker schon haben diesen sonderbaren Zufall hervorgehoben, seine „Schäfchen“ sehen in Radkovský gern einen geistigen Nachfolger Nepomuks.



Teilansicht der Klosterkirche in Kladruby


Bischof Radkovský ist nicht nur ein charmanter (darf man das von einem Bischof sagen?) Erzähler, sondern ein weit über die Grenzen seiner Diözese, ja des Landes hinaus geschätzter geistlicher Würdenträger. Er spricht perfekt Deutsch, kennt die früheren deutschen Namen aller Ortschaften in seiner Diözese, pflegt freundschaftliche Beziehungen zum Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer (den er im Gespräch vertraulich als „Bischof Rudolf“ bezeichnet), nimmt an tschechisch-deutschen Wallfahrten diesseits (Böhmen) wie jenseits (Bayern) der Grenze teil, fördert jede Art von grenzüberschreitenden Programmen und Projekten im religiösen Leben. Sicher ist es auch seinem Engagement und seiner glaubwürdigen Sympathie zu verdanken, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehr als 50 Kirchen in ehemals sudetendeutschen Dörfern durch Spenden von Deutschen renoviert werden konnten. „Versöhnung“ und „Brücke“ sind die Passwords, die ihm Achtung auf internationaler Ebene und Sympathie im Lande eingebracht haben.



Schon im Jahr 1997 hat Bischof Radkovský die aus Tschechien vertriebenen Sudetendeutschen um Verzeihung gebeten. Warum das nicht alle Tschechen könnten, ist meine Frage. „Das braucht Zeit“, gibt er zur Antwort, „auch Moses brauchte 40 Jahre Zeit, um das Volk Israel als freie Menschen ins heilige Land zu bringen. Versöhnung braucht Zeit!“ Aber er ist überzeugt, dass sie jetzt unter den jungen Generationen, die kein belastetes Gewissen mehr haben, möglich ist.



Wir kommen auch auf die Religion in Tschechien zu sprechen, auf die ständig sinkenden Zahlen von Personen, die erklären, einer – katholischen, evangelischen, hussitischen, orthodoxen – Kirche anzugehören. So sagen es die Statistiken. „Die Statistiken? Ich bin selbst Statistiker und weiß daher, wie Meinungsumfragen manipuliert werden können.“ Er sei überzeugt, dass die jetzt freien und jetzt wohlhabenden Tschechen auf der Suche nach einer anderen Dimension seien, dass sie vom praktizierenden Christentum noch weit entfernt seien, aber doch den Weg von Ungläubigkeit zum Glauben gehen, den Weg der Spiritualität.

Straßenaltar zu einem christlichen Feiertag


Kerzen am Nikolausfriedhof in Pilsen




Es ist spät geworden bei unserem Gespräch, später als vorgesehen. Die Sekretärin klopft an die Tür. František Radkovský wird zu einer Besprechung erwartet. Zum Abschluss drückt er mir eine Broschüre in die Hand: „Pilgern ist ,in‘. Wallfahrtsorte und Gebetsstätten der Diözese Pilsen“ von
Luděk Krčmář. Ich verabschiede mich schweren, aber doch leichten Herzens von diesem beispielhaften, guten Hirten. Und ich bin sicher, dass ich ihn in den kommenden Wochen auf einer der Wallfahrten wiedersehen werde.



Noch ein P.S.:

Bischof Radkovský war im vergangenen Jahr in die sensationsdurstige Medienwelt eingegangen, als er – als Ostergabe für den Papst – eine Partie Pilsner Urquell vor der Abfahrt gesegnet hatte: von Franz zu Franz, von Bischof František zu Papst Francesco. Auch andere Geistliche sind schon mit Wein- und Sekt- und Schnapsweihen prominent geworden. Aber Pilsner Urquell klingt eben besonders. Nach brüderlich-gemütlichem Beisammensein.


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