Die fünf Nepomuk-Sterne an der Nepomukkirche im Städtchen Nepomuk |
Begegnung mit dem Bischof von Pilsen
Er fängt sofort zu erzählen an. Von Nepomuk, dem auf der ganzen Welt
bekannten und verehrten Brückenheiligen, von dessen Konflikt als Generalvikar
des Prager Erzbischofs mit dem damaligen König Wenzel IV. („Er war dem Alkohol
sehr zugetan“, bemerkt er leicht ironisch), wie er von Getreuen des Königs,
vielleicht sogar unter Mitwirkung des Königs selbst, gefoltert, übelst
misshandelt und so zusammengeschlagen wurde, dass man ihn, um Quälereien und
Torturen verborgen zu halten, halbtot oder schon tot in die Moldau stürzte. Wo
fünf Lichter zu leuchten begannen. Die fünf Sterne, die der heilige Nepomuk auf
fast allen Statuen um sein Haupt trägt.
Die fünf Sterne, die im Wappen der Diözese Pilsen zu finden sind und auch
im Wappen des Pilsner Bischofs.
Das Wappen der Diözese Pilsen |
Denn „er“, der mir die Nepomuk-Geschichte erzählt und bildhaft ausmalt, ist
Seine Exzellenz František Radkovský. Im Jahr 1993 wurde er zum ersten Bischof
in der Geschichte Pilsens ernannt. Genau 600 Jahre nach dem Tode Nepomuks.
František Radkovský, seit 1993 erster Bischof von Pilsen |
Schon 1393 hätte eine westböhmische Diözese gebildet werden sollen, mit
Sitz im damals sehr mächtigen Benediktinerkloster Kladruby/Kladrau. König
Wenzel hätte es so gewollt, die Patres und Johannes von Nepomuk dachten es
anders. Dies war wohl einer der Gründe der tätlichen Zwistigkeiten, die dann
zum Tode Nepomuks führten. War es Prädestination, dass die heutige
westböhmische Diözese in Pilsen nach genau 600 Jahren entstanden ist? Mehrere
Historiker schon haben diesen sonderbaren Zufall hervorgehoben, seine
„Schäfchen“ sehen in Radkovský gern einen geistigen Nachfolger Nepomuks.
Teilansicht der Klosterkirche in Kladruby |
Bischof Radkovský ist nicht nur ein charmanter (darf man das von einem
Bischof sagen?) Erzähler, sondern ein weit über die Grenzen seiner Diözese, ja
des Landes hinaus geschätzter geistlicher Würdenträger. Er spricht perfekt
Deutsch, kennt die früheren deutschen Namen aller Ortschaften in seiner
Diözese, pflegt freundschaftliche Beziehungen zum Regensburger Bischof Rudolf
Voderholzer (den er im Gespräch vertraulich als „Bischof Rudolf“ bezeichnet),
nimmt an tschechisch-deutschen Wallfahrten diesseits (Böhmen) wie jenseits
(Bayern) der Grenze teil, fördert jede Art von grenzüberschreitenden Programmen
und Projekten im religiösen Leben. Sicher ist es auch seinem Engagement und seiner
glaubwürdigen Sympathie zu verdanken, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten
mehr als 50 Kirchen in ehemals sudetendeutschen Dörfern durch Spenden von
Deutschen renoviert werden konnten. „Versöhnung“ und „Brücke“ sind die
Passwords, die ihm Achtung auf internationaler Ebene und Sympathie im Lande
eingebracht haben.
Schon im Jahr 1997 hat Bischof Radkovský die aus Tschechien vertriebenen
Sudetendeutschen um Verzeihung gebeten. Warum das nicht alle Tschechen
könnten, ist meine Frage. „Das braucht Zeit“, gibt er zur Antwort, „auch Moses
brauchte 40 Jahre Zeit, um das Volk Israel als freie Menschen ins heilige Land
zu bringen. Versöhnung braucht Zeit!“ Aber er ist überzeugt, dass sie jetzt
unter den jungen Generationen, die kein belastetes Gewissen mehr haben, möglich
ist.
Wir kommen auch auf die Religion in Tschechien zu sprechen, auf die ständig
sinkenden Zahlen von Personen, die erklären, einer – katholischen,
evangelischen, hussitischen, orthodoxen – Kirche anzugehören. So sagen es die
Statistiken. „Die Statistiken? Ich bin selbst Statistiker und weiß daher, wie
Meinungsumfragen manipuliert werden können.“ Er sei überzeugt, dass die jetzt
freien und jetzt wohlhabenden Tschechen auf der Suche nach einer anderen
Dimension seien, dass sie vom praktizierenden Christentum noch weit entfernt
seien, aber doch den Weg von Ungläubigkeit zum Glauben gehen, den Weg der
Spiritualität.
Straßenaltar zu einem christlichen Feiertag |
Kerzen am Nikolausfriedhof in Pilsen |
Es ist spät geworden bei unserem Gespräch, später als vorgesehen. Die
Sekretärin klopft an die Tür. František Radkovský wird zu einer Besprechung
erwartet. Zum Abschluss drückt er mir eine Broschüre in die Hand: „Pilgern ist ,in‘. Wallfahrtsorte und Gebetsstätten der Diözese Pilsen“ von
Luděk Krčmář. Ich verabschiede mich schweren, aber doch leichten Herzens von diesem beispielhaften, guten Hirten. Und ich bin sicher, dass ich ihn in den kommenden Wochen auf einer der Wallfahrten wiedersehen werde.
Luděk Krčmář. Ich verabschiede mich schweren, aber doch leichten Herzens von diesem beispielhaften, guten Hirten. Und ich bin sicher, dass ich ihn in den kommenden Wochen auf einer der Wallfahrten wiedersehen werde.
Noch ein P.S.:
Bischof Radkovský war im vergangenen Jahr in die sensationsdurstige
Medienwelt eingegangen, als er – als Ostergabe für den Papst – eine Partie
Pilsner Urquell vor der Abfahrt gesegnet hatte: von Franz zu Franz, von Bischof
František zu Papst Francesco. Auch andere Geistliche sind schon mit Wein- und
Sekt- und Schnapsweihen prominent geworden. Aber Pilsner Urquell klingt eben
besonders. Nach brüderlich-gemütlichem Beisammensein.
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