Dienstag, 2. Juni 2015

Eine Pilsner Buchhandlung


Von Büchern zum Fußball

Es war schon nach Ladenschluss, als ich vor einer Auslage stehen blieb. Sie interessierte mich. Knihy und Antikvariát hörte sich gut an und versprachen Neuerscheinungen und antiquarische Bücher. Ich nahm mir vor, an einem der nächsten Tage in die Buchhandlung hineinzugehen. Als eine Dame neben mir meinen Hund Zampa ansprach: Šikovný pejsánku, nannte sie ihn, lumpik und hodný: „Du liebes kleines Hündchen, Lumperle, du Braver du“. Und Zampa, der alle Sprachen versteht, ließ sich genüsslich streicheln und kraulen. Denn er ist – das weiß inzwischen nicht nur halb Pilsen – mein treuer Wegbegleiter. Treu, aber bisweilen etwas müde, habe ich den Eindruck. Er begreift nicht so recht das Warum meines unentwegten Herumgehens und Herumfahrens.

Die Frau wandte sich dann auch mir zu. Sie war die Buchhändlerin und ich versprach ihr einen Besuch für einen der nächsten Tage. Und seitdem gehe ich fast täglich zu Alena Jonašová und ihrer Tochter Terezie. Ich blättere in den Bildbänden, frage nach den unterschiedlichsten Büchern: Haben Sie etwas über Adolf Loos auf Deutsch? Kennen Sie diese Comicserie über Pilsen? Gibt es ein Buch über Přemysl Pitter*? 

Alena und Terezie Jonašová in ihrer Buchhandlung

Bisweilen gebe ich für eine Zeit lang auch Zampa bei ihnen ab, wenn ich in ein Geschäft mit Hundeeintrittsverbot muss. Ein Hundeleben manchmal, für mich, weil ich auf einiges verzichten muss. Ein Lob daher dem attraktiv gestalteten Museum církevního umění plzeňské diecéze, dem Museum für Kirchenkunst der Diözese Pilsen, das dem Westböhmischen Museum angeschlossen ist und seinen Sitz im ehemaligen Franziskanerkloster hat. Dort sind Hunde nicht nur erlaubt, sondern gern gesehen, und man überlässt ihnen den Rasen im gotischen Kreuzgang als Spielwiese. Der heilige Franziskus, der alle Tiere liebte, hätte diese freundliche Geste sehr zu schätzen gewusst.

Doch zurück zur Buchhandlung gleich am Beginn der vom Náměstí Republiky abzweigenden Zbrojnická. Sie besteht seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, Alena arbeitet hier seit 13 Jahren, und mit der Liebe zu Büchern und Buchhandel hat sie auch ihre Tochter angesteckt. Besonders regionale Geschichte und Kultur haben sie im Angebot, belletristische Werke und viele, sehr viele Kinderbücher. Sie erzählen voller Stolz, dass Künstler zu ihren Stammkunden gehören, Sänger und Schauspieler vom traditionsreichen Großen Theater, auch Leute von der Stadtverwaltung. Und Fußballer. 

Alena Jonašková zeigt voller Stolz zwei Bücher über „ihre“ Mannschaft
Viktoria Plzeň

Da sind beide nicht mehr zu halten, erzählen überschwänglich vom heimischen Fußballclub Viktoria Plzeň, der gerade in diesen Tagen tschechischer Meister geworden ist. Zum dritten Mal in fünf Jahren. Beim großen, rot-blauen Fest auf dem Pilsner Hauptplatz hat Alena begeistert mitgefeiert. Und wussten Sie, dass der tschechische Nationaltorwart Petr Čech aus Pilsen stammt, dass Pavel Nedvěd seine ersten Schritte als Fußballer in Pilsen getan hat? Und die Tochter Terezie beginnt die Namen ihrer Lieblingsspieler aufzuzählen: Marián Čišovský, Marek Bakoš und der aus dem Pilsen-nahen Städtchen Rokycany stammende Václav Procházka. Wir verständigen uns per englisch-tschechischem Computer-Übersetzer, und da passiert etwas Grandioses: Der Computer übersetzt den Namen „Procházka“ (der so viel wie „Spaziergang“ bedeutet) getreu und präzise als „walk“. Zu unserer großen Freude. Alena und Terezie kommentieren noch belustigt den Fauxpas des Computers, als Zampa und ich schon weitergehen. Anderen Abenteuern entgegen.

Vor leeren Rängen spielt Viktoria Plzeň niemals.
 


* Auf Přemysl Pitter hat mich Antonín Kolář aufmerksam gemacht, ein hiesiger Gymnasiallehrer, dem ich unendlich viele Informationen und Anregungen zu den verschiedensten Themen verdanke. Ich werde in den nächsten Tagen mehr von ihm erzählen und auch ausführlicher auf Přemysl Pitter eingehen, einen den meisten unbekannten „tschechischen Schindler“.
 



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