Blick auf den Hochaltar der Wallfahrtskirche zur hl. Anna bei Planá |
Das Annenfest in Planá
Es hatte sehr feierlich begonnen. Mit einer deutsch-tschechischen
Prozession – Bewohner aus dem bayerischen Mähring hatten sich unterhalb der
Kirche mit Bewohnern aus dem böhmischen Planá getroffen – und einem gemeinsamen
Gottesdienst in der Barockkirche zur heiligen Anna bei Planá, einem Städtchen
südlich von Marienbad.
Emporen in der barocken Kirche zur hl. Anna |
Zum 26. Mal fand diese Wallfahrt in diesem Jahr statt. Denn wenige Monate
nach der „Wende“ hatten Deutsche und Tschechen hier erstmals zu gemeinsamem Beten und
Singem zusammengefunden. Der diesjährige Gottesdienstes, in dem viel von
Asylbewerbern und deren Aufnahme die Rede war, wurde von Monsignor Reinhard
Hauke aus Erfurt zelebriert, dem Beauftragten für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge
in Deutschland.
Reinhard Hauke, der Bischof für die Vertriebenen |
Ein „Bischof für die Vertriebenen“? „Ja“, antwortet Monsignor Hauke auf meine Frage. „Man muss die Erinnerung an die Vertreibung auch bei der nachwachsenden Generation wachhalten, damit dieses Kapitel der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät“. Als Kind einer aus Schlesien vertriebenen Familie liegt ihm das Thema sehr nahe, und er beurteilt es als sehr positiv, was auch ich schon mehrmals unterstrichen habe: Dass sich auch in Tschechien junge Leute mit dem Thema der Vertreibung objektiv und ohne Scheuklappen auseinandersetzen. Die positiven Auswirkungen der Vertreibung? Hatte ich da bei der Predigt richtig gehört? Zur Sicherheit hake ich noch einmal nach: Ja, Bischof Hauke ist überzeugt, dass die Vertriebenen den Städten und Dörfern, in denen sie aufgenommen wurden, Aufschwung gegeben haben und dass junge Aussiedler sich in ihrer neuen Heimat Lebenswege und Karrieren aufgebaut haben, die ihnen in der alten Heimat vielleicht verschlossen gewesen wären.
Doris Thomas |
Nach der Stärkung der Seele in der bis auf den letzten Platz gefüllten
Kirche dann auch etwas zur Stärkung des Leibes. Beim Anstehen zu Bier und klobasa, einer deftigen tschechischen
Bratwurst, komme ich mit einer Nachbarin ins Gespräch: Bei der Ausweisung aus
Planá – sie war damals ein Jahr alt und das jüngste von vier Kindern – habe das
ehemalige Kloster unterhalb der Kirche hier für sie das letzte Obdach auf
heimatlich-böhmischem Boden dargestellt. Aber die Tschechen hätten der
vaterlosen Familie geholfen, so viel sie nur konnten. Seit Jahren besucht sie –
die ehemalige Gymnasiallehrerin Doris Thomas – sommerliche Tschechischkurse in
Nordböhmen, kommt aus Bayerisch Eisenstein regelmäßig auf Wallfahrt zur
heiligen Anna und ist um deutsch-tschechisches Verständnis und den Abbau von
Vorurteilen bemüht. Auf beiden Seiten.
Dann bellen ein großer Schäferhund und mein kleiner Hund sich lautstark
an. Aber auch das gegenseitige Anknurren von Hunden kann Kontakte zwischen den padroni schaffen. Ich schaffe Zampa weg
und kehre zur Hundebesitzerin zurück: Es ist Klára Salzmann, eine tschechische
Landschaftsarchitektin, die ich vor zwei Tagen in Výškovice erlebt hatte,
gewissermaßen als Hausherrin einer Veranstaltung im Rahmen der Initiativen der diesjährigen Kulturhauptstadt.
Die tschechische Landschaftsarchitektin Klára Salzmann |
Für mich war es eine Rückkehr nach Výškovice, das ich gleich zu Beginn
meines Pilsen-Aufenthaltes besucht hatte: damals verängstigt von der Einsamkeit
des fast verschwundenen Dorfes Wischkowitz, von den menschenleeren,
kurvenreichen, lädierten tschechischen Straßen, die in abgelegenen Gegenden mehr
asphaltierten Waldwegen gleichen als modernen Verkehrsstraßen, beeindruckt von
der Verlassenheit des Ortes. Inzwischen hat Klára Salzmann in Pilsen eine Tagung zur „Wiederbelebung der deutsch-tschechischen Grenzlandschaft“ organisiert und eine
instruktive dreisprachige Publikation herausgegeben. Nach Výškovice/Wischkowitz,
in das einst blühende, aber 1945 ausgesiedelte und 1974 amtlich aufgelöste
Dorf, kommen jetzt Besucher aus ganz Europa. Und heute steht hier – als
Land-Art-Installation auf dem Geländes eines ehemaligen Bauernhofes – ein
kräftiger Holztisch: zu Gottesdiensten, zu Gesprächen, zu Brotzeiten (warum nicht?).
Zu gemeinsamem Zusammensein in der Erinnerung an die ehemaligen Bewohner. Wer
weiß – vielleicht einmal auch mit einem der hier Geborenen.
Geselliges Beisammensein in Výškovice/Wischkowitz |
Kulturell-musikalischer Höhepunkt dieses erlebnisreichen Tages war, in
Anwesenheit des tschechischen Ministers für Kultur, Daniel Herman (der einige ehemalige Böhmendeutsche auf Deutsch „in ihrer Heimat“ begrüßte), ein Konzert
der Cembalistin und Organistin Alena Hönigová. Sie kann – trotz ihres jungen
Alters von nur 39 Jahren – schon auf eine lange Karriere und internationale
Mitwirkungen zurückblicken. Und auf das musikalische Sommerfestival, das sie
vor vier Jahren auf dem nordböhmischen Schloss Jezeří ins Leben gerufen hat und von dem sie mit
charmanter, unwiderstehlicher Begeisterung erzählt.
Die Musikerin Alena Hönigová |
Genug für einen einzigen Tag? Nein, als Abschluss gab es dann noch ein sprühendes barockes Feuerwerk, das von
den Anwesenden mit vielen Ahs und Ohs aufgenommen wurde.
Zwischendurch war ich – zur Abwechslung für meinen Hund Zampa – noch etwas
über Land gefahren und hatte spontane bäuerliche Land-Art bewundert.
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