Montag, 13. Juli 2015

Zwischen Hřešihlavy und Kasejovice


Von einem jüdischen Friedhof zum anderen

Vielleicht übertreibe ich es mit den Friedhöfen. Mit christlichen und jüdischen. Aber wie ich gestern bemerkt habe, bin ich nicht die Einzige, die gern Friedhöfe besucht. Beatrijs, die holländische Frau des tschechischen Konzertgitarristen Jan Irving und Seele des eleganten Restaurants „La Boema“ in Radnice, warf erst einmal einen Blick auf meine Schuhe. Da sie sie für fest genug befand, schlug sie mir einen Ausflug nach Hřešihlavy vor. Eben zu einem jüdischen Friedhof.

Kein Schild zeigt ihn an, und man muss eine kurze Wanderung in Kauf nehmen, um ihn zu erreichen. In einem Wald. Kein düsterer Wald. Düster sind die Wälder nicht in dieser Gegend im Umkreis von Pilsen. Dunkel und düster, und manchmal unheimlich und gespenstisch, werden sie erst weiter im Süden, im Böhmerwald. Der Friedhof ist nicht gepflegt, aber auch nicht eigentlich vernachlässigt. Naturbelassen, könnte man sagen. Wie es die Juden mögen. Hier und da ein auf den Grabsteinen hinterlassener „Anklopfstein“. Ein Zeichen, dass doch immer wieder einmal jemand vorbeikommt und sich der Toten erinnert.








Seit dem 17. Jahrhundert hatte es in Hřešihlavy eine jüdische Gemeinde gegeben, eine offensichtlich sehr lebendige Gemeinde, die bald so rasch anwuchs, dass die Juden im Jahr 1841 die Mehrheit der Bevölkerung stellten: 51 Prozent.

Etwas mehr als fünfzig Grabsteine stehen noch auf dem Friedhof. 1826 wurden die ersten Toten begraben, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts die letzten. Pflanzenumhüllte, moosbewachsene, wacklige und wieder aufgerichtete Steine, die tausend Geschichten erzählen. Erosion und Vandalismus stellen heute eine Gefahr für die Gräber in diesem Wald dar, der, wie gesagt, nicht eigentlich düster ist. Aber bei Nacht möchte ich trotzdem nicht vorbeikommen.




Heute war ich ausgesprochen sonntagsfaul. Das darf man auch als Stadtschreiberin sein. Keine Termine, keine Meetings, auch keine Rendezvous. Also einfach über Land fahren, fast ziellos, ohne Zeitdruck und ohne das Nachher-Schreiben-Müssen. Aber auch dabei gibt es immer Neues zu entdecken.

In Nové Mitrovice im südlichen Pilsner Land läuten die Glocken gerade zum Sonntagsgottesdienst.

Die barocke Nepomuk-Kirche in Nové Mitrovice

Der Pfarrer ist per Motorroller angereist.


Blick in den festlich geschmückten barocken Kircheninnenraum

In Kasejovice, einem Städtchen einige Kilometer weiter südlich, weist ein Schild auf den židovský hřbitov hin: Könnte ich es ignorieren? 

Uralte, inzwischen namenlose Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Kasejovice, der schon im 17. Jahrhundert gegründet wurde.
 
Neben den Grabsteinen mit den für die Meisten unverständlichen hebräischen Schriftzeichen hier in Kasejovice einmal ein Grabstein mit einer deutschsprachigen Inschrift



Und an den Farben der Landschaft erkenne ich, wie viel Zeit schon seit meiner Ankunft in Pilsen vergangen ist.

Das leuchtende Gelb der Rapsfelder im Frühjahr ist dem sanften, blonden Goldgelb der sommerlichen Kornfelder gewichen.

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