Freitag, 3. Juli 2015

Jan-Hus-Ausstellung auch in Pilsen


„Im Jahr 1415 und 600 Jahre später“

Vom Denkmalsockel herab wendet er, von dunklen Wolken umhüllt, der Kirche ostentativ den Rücken zu. Ostentativ-herausfordernd? So hätte sich Mistr Jan Hus – denn ihm ist das Monument gewidmet – der Kirche gegenüber nicht verhalten wollen.

Das 1921 aufgestellte Jan-Hus-Denkmal in Radnice

Die barocke Wenzelskirche steht am Hauptplatz von Radnice, einem westböhmischen Städtchen rund 20 Kilometer nordöstlich von Pilsen. Und schon im Jahr 1921, also eigentlich kurze Zeit nach der Auflösung der Habsburgermonarchie und der Gründung der ersten Tschechoslowakischen Republik, spendeten die Bürger von Radnice Geld zur Errichtung des Jan-Hus-Denkmals. Denn der um 1369 geborene tschechische Prediger und Reformator war im 19. und 20. Jahrhundert zum Sinnbild der gegen Fremdherrschaft aufbegehrenden, nationalbewussten Tschechen erhöht worden. Was er wahrscheinlich gar nicht gewollt hätte. Sicher, er hatte auf Tschechisch gepredigt und die Missstände in der Kirche angeprangert, deren hohe Kirchenämter besonders in deutschen Händen waren. Auch hat er – zur Verzweiflung aller Tschechisch-Schüler – in dem ihm zugeschriebenen Traktat „De orthographia bohemica“ die an tschechischen Buchstaben angebrachten diakritischen Zeichen eingeführt.

Doch Jan Hus war es, rund hundert Jahre vor Martin Luther, vor allem darum gegangen, die etwas altersschwere, unbewegliche und moralisch nicht immer fleckenlose Kirche zu modernisieren und zu verbessern. Er geriet dabei – aber es ist vermessen, sein Leben und Wirken in wenige Worte fassen zu wollen – in die Mühle zwischen Päpsten und Gegenpäpsten, Kirche und Königtum und wurde am 6. Juli 1415 während des Konzils von Konstanz zum Feuertod verurteilt. 

Jan Hus auf dem Scheiterhaufen, aus der 1484/85 verfassten Spiezer Chronik


Schon Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde der 6. Juli in Tschechien (damals Tschechoslowakische Republik) zum Staatsfeiertag erhoben, zum Den upálení mistra Jana Husa, dem „Tag der Verbrennung von Jan Hus“. In diesem unserem Jahr 2015 nun wird weltweit der 600. Todestag des christlichen Theologen begangen, mit Ausstellungen, Vorträgen, Tagungen, Theaterstücken, Verfilmungen und was sonst alles zu einem solchen Anlass auf die Beine gestellt werden kann.

Auch Pilsen hat eine Jan-Hus-Ausstellung ausgerichtet beziehungsweise von den Hus-Museen in Konstanz und Tábor übernommen. Im Museum für Kirchenkunst im ehemaligen Franziskanerkloster sind bis zum 31. Juli 14 Text-Bild-Tafeln zum historischen Umfeld wie zum Leben und Wirken von Jan Hus zu sehen, ergänzt durch Exponate des Westböhmischen Museums Pilsen. 

Blick in den gotischen Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters in Pilsen, heute Museum für Kirchenkunst und bis Ende Juli Austragungsort der Ausstellung „Jan Hus im Jahr 1415 und 600 Jahre später“

Eine lehrreiche Ausstellung – mit einer amüsanten Note: Im Jahr 1922 gab die Stadt Konstanz, wo Jan Hus den Tod gefunden hatte, Not-Papiergeld in verschiedenen Werten heraus. Auf dem 100-Mark-Schein ist zu lesen: „O Hus, um deines Glaubens Lehr / würdest du heut nit verbronnen mehr / dieweil durch schnöden Wuchers List / das Brennholz viel zu teuer ist“. Wozu ein historisches Ereignis nicht alles genutzt werden kann!

600. Todestag hin, 600. Todestag her – eine Rehabilitierung des als Ketzer verbrannten Reformators Jan Hus seitens der katholischen Kirche steht immer noch aus. Doch erste Anzeichen einer Wende sind zu bemerken: Papst Franziskus feierte vor Kurzem in Rom eine Versöhnungsliturgie, gemeinsam mit Kirchenvertretern aus der Tschechischen Republik. Auch der Pilsner Bischof František Radkovský war dabei. Er scheint bei diesem Prozess zur gerechten Beurteilung von Jan Hus eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen.

Wer weiß, wann der Denkmal-Hus in Radnice sich wieder ganz der (Wenzels-)Kirche zuwenden kann?

Dieses Jan-Hus-Denkmal in Klášter beim Pilsen-nahen Städtchen Nepomuk erinnert an das Jahr 1925, als der 6. Juli zum  Staatsfeiertag erklärt wurde.
  
Noch eine Nachbemerkung:
Auf der (heute) tschechischen Präsidentenstandarte sind seit der Zeit von Tomáš Garrigue Masaryk, der von 1918 bis 1935 tschechoslowakischer Staatspräsident war, folgende Hus-Worte zu lesen: „Pravda vítězí“ – „Die Wahrheit siegt“. Allerdings ist das Zitat nicht vollständig wiedergegeben: In Wirklichkeit lautet es „Pravda Páně vítě“ – „Die Wahrheit des Herrn siegt“. Ein kleiner, aber gewiss nicht geringfügiger Unterschied. Denn dieser „Herr“ wird aus dem öffentlichen wie privaten Leben in Tschechien bis heute gern ausgeklammert.



(Západočeské muzeum v Plzni / Muzeum církevního umění plzeňské diecéze – Westböhmisches Museum Pilsen / Museum für Kirchenkunst der Diözese Pilsen)

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